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3. März 2021
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Gebäude und Siedlung

Beweissicherung misst Erdbeben in Bern

Gebäude, welche nahe an Baustellen liegen, können durch die Bautätigkeit ins Schwanken geraten. Wir Fachpersonen Beweissicherung überwachen diese Erschütterungen, um Gebäudeschäden verhindern zu können. Selten haben wir während den Messkampagnen die Gelegenheit, ein Erdbeben mit aufzuzeichnen und zu analysieren. Das Erdbeben vom 3. Februar 2021 in der Region Bern flimmerte mit seiner Stärke 2,8 gut merklich über unsere Erschütterungsmessgeräte und bescherte uns interessante Messresultate. Diese wollen wir uns genauer anschauen.

Unsere Erschütterungsmessgeräte im Einsatz während des Erdbebens
An erster Stelle dient eine Erschütterungsüberwachung während Bauarbeiten der Schadenprävention (Artikel Prona AG). Dabei werden die an die Baustelle angrenzenden Gebäude oder Infrastrukturen permanent überwacht und beim Überschreiten von Grenzwerten auf Erschütterungsquellen Einfluss genommen.

Nebst den baulichen Erschütterungseinflüssen können auch natürliche Kräfte wie Erdbeben ein Gebäude zum Schwingen bringen. Die Stärke und Dauer des Erdbebens, sowie die Bausubstanz entscheiden darüber, ob und in welchem Ausmass ein Gebäude Schaden nehmen kann. Anhand des Erdbebens, welches am 3. Februar 2021 in Bremgarten bei Bern mit einer Magnitude von 2,8 auf der Richterskala registriert wurde, übersetzen wir die gemessene Schwingstärke in mm/s auf einen Baukörper. Zudem wollen wir herausfinden, in welcher Relation die gemessene Stärke zur Norm VSS 40 312 «Erschütterungen – Erschütterungseinwirkung auf Bauwerke» steht und welche Erschütterungsgrössen zu Schäden führen können.

Erdbeben und Ihre Stärke in der Schweiz
Gemäss dem Schweizerischen Erdbebendienst (Link anbei) werden in der Schweiz und dem nahen Ausland jährlich 1’000 bis 1’500 Erdbeben registriert, wovon nur etwa 10-20 Beben von der Bevölkerung verspürt werden. Der Mensch kann Erdbeben erst ab einer Magnitude von 2,5 auf der Richterskala wahrnehmen. Magnituden um 5,0 sind jedoch stark spürbar und an Gebäuden in schlechtem Zustand können leichte Schäden wie feine Risse im Mauerwerk oder Verputz entstehen. Zerstörerische Schäden treten etwa ab einer Magnitude von 6,0 auf. Der Schweizerische Erdbebendienst veranschaulicht auf seinen Karten, mit welchen Wahrscheinlichkeiten verschieden starke Erdbeben in der Schweiz vorkommen (Link anbei).

Das Erdbeben vom 3. Februar 2021
In Bremgarten bei Bern ereignete sich am 3. Februar 2021 um 23:35 Uhr ein Erdbeben mit einer Magnitude von 2,8 auf der Richterskala. Das Beben konnte in einem Umkreis von ca. 10 km um das Epizentrum schwach verspürt werden. Unsere Erschütterungsmessgeräte, welche zu dieser Zeit an drei Bauplätzen rund um Bern installiert waren, haben das Erdbeben mit unterschiedlicher Stärke registriert. Die beiden Standorte in Hinterkappelen und Bern Stöckacker, beide etwa 5 km westlich und südwestlich vom Epizentrum entfernt, haben Werte von ca. 1,5 mm/s bis 2,0 mm/s in horizontaler Richtung gemessen. Hingegen war am Standort Konolfingen, ca. 18 km südöstlich vom Epizentrum, das Erdbeben bereits nicht mehr messbar. Die Einheit mm/s gibt an wie stark die Schwingung ist, die durch eine Quelle am Messobjekt ausgelöst wird.

Die Schwingung des Erdbebens in die Sprache der NORM VSS 40 312 übersetzen
Ob und in welchem Umfang ein Gebäude durch Schwingungen Schaden nimmt, hängt von der Frequenz und Stärke der Erschütterungen ab. Ein typisches Gebäude in der Schweiz mit zwei bis fünf Stockwerken hat eine durchschnittliche Eigenfrequenz von 5 Hertz. Wird ein Gebäude durch eine von aussen wirkende Quelle mit gleichwertiger Frequenz angeregt, kann dieses besonders stark schwingen und die Schäden können verheerend sein.

Die Stärke von Erdbeben wird, wie allgemein bekannt, mit der Magnitude auf der Richterskala angegeben. Die Stärke von Bauwerkserschütterungen während Bauarbeiten hingegen, wird mit den Grössen Geschwindigkeit [mm/s] und Frequenz [Hertz] charakterisiert. Mit diesen Grössen lässt sich die Wahrscheinlichkeit von Schäden an Gebäuden abschätzen: die Norm VSS 40 312 definiert Richtwerte in mm/s, bei deren Einhaltung es kaum wahrscheinlich ist, dass kleinere Schäden an Gebäuden entstehen können. 

Generell kann gesagt werden, dass die Norm für tiefere Frequenzen und permanente Einwirkungen tiefere Richtwerte, hingegen für gelegentliche und höhere Frequenzen, höhere Richtwerte festlegt. Die Norm hält für unsere Messstandorte bei einer Frequenz von weniger als 30 Hertz und einer gelegentlichen Einwirkung einen Richtwert von 15 mm/s fest, wobei bei Frequenzen unter 8 Hertz tiefere Werte anzusetzen sind. Beim gemessenen Erdbeben wurden an den Gebäuden Frequenzen von 8-10 Hertz gemessen und eine Geschwindigkeit von 1,5 mm/s bis 2,0 mm/s. Die Werte liegen deutlich unter dem Richtwert, so dass auch nach Norm bestätigt werden kann, dass bei einem Erdbeben mit Magnitude von 2,8 innerhalb der Distanz von 5 km vom Epizentrum an den überwachten Gebäuden keine Schäden zu erwarten sind.

In manchen Fällen empfiehlt es sich, wesentliche Erschütterungseinflüsse durch Bauarbeiten an Nachbarliegenschaften zu überwachen. Insbesondere bei Abbauarbeiten von Fels und Rammarbeiten, wie zum Beispiel das Einschlagen von Spundwänden, ist eine Erschütterungsüberwachung sinnvoll, um Gebäudesubstanzen zu schützen und Schadensansprüche zu vermeiden. Gerne beraten wir vom Beweissicherungsteam Sie bei Ihrem Bauvorhaben und unterstützen Sie bei den Erschütterungsmessungen für einen schadenfreien Bauablauf.

Ansprechperson Beweissicherung:
Patrick Wüthrich p.wuethrich@prona.ch oder +41 32 328 88 33